Kapitel 19
Das wahre Wesen der Arbeit
Worte Sri Aurobindos
Ich meine mit Arbeit nicht eine Handlung, die im Ego und in der Unwissenheit getan, zur Befriedigung des Egos vollzogen und von rajasischer Begierde angetrieben wird. Es kann keinen Karma-Yoga geben, ohne den Willen, das Ego, rajas (Unruhe) und die Begierde zu beseitigen, die die Siegel der Unwissenheit sind.
Ich meine nicht Philanthropie oder Dienst an der Menschheit oder all die übrigen Dinge moralischer oder idealistischer Art, die das Mental des Menschen an die Stelle der tieferen Wahrheit der Arbeit setzt.
Ich meine mit Arbeit eine Tätigkeit, die für das Göttliche und mehr und mehr im Einssein mit dem Göttlichen geschieht – allein für das Göttliche und für nichts sonst. Natürlich ist es zu Beginn nicht einfach, ebensowenig wie tiefe Meditation und leuchtendes Wissen oder selbst wahre Liebe und Bhakti einfach sind. Doch wie alles andere auch, muss es im rechten Geist und in der rechten Haltung begonnen werden, mit dem rechten Willen in dir, dann wird das Übrige kommen.
Arbeit, die in dieser Einstellung verrichtet wird, ist ebenso wirksam wie Bhakti oder Kontemplation. Man gelangt durch die Zurückweisung des Begehrens, des rajas und des Egos zu einer Stille und Reinheit, in die unbeschreiblicher Friede herabkommen kann. Man gelangt, indem man seinen Willen dem Göttlichen weiht – und zwar durch die Auflösung dieses eigenen Willens im Göttlichen Willen –, zum Tod des Egos und zur Ausweitung in das kosmische Bewusstsein oder aber zur Erhebung in das, was sich über dem Kosmischen befindet. Man erfährt die Trennung des Purusha von der Prakriti und wird von allen Fesseln der äußeren Natur befreit. Man gewahrt sein inneres Wesen und sieht das äußere als ein Instrument. Man fühlt, wie die universale Kraft die Werke verrichtet und wie das Selbst oder der Purusha dies beobachtet oder betrachtet, jedoch frei. Man fühlt, wie alles Wirken von einem genommen und von der universalen oder höchsten Mutter verrichtet wird oder von der Göttlichen Macht, die hinter dem Herzen wacht und von dorther wirkt. Indem man fortwährend seinen ganzen Willen und all seine Werke dem Göttlichen zuwendet, wachsen Liebe und Anbetung, und das seelische Wesen tritt hervor. Indem man sich an die Macht darüber wendet, kann man sie und ihr Herabkommen über sich fühlen sowie das Öffnen für ein sich weitendes Bewusstsein und Wissen. Und schließlich vereinen sich Werke, Bhakti und Wissen, und die Selbst-Vervollkommnung wird möglich, was wir die Umwandlung der Natur nennen.
Natürlich kommen diese Ergebnisse nicht alle auf einmal, sie kommen mehr oder weniger langsam, mehr oder weniger vollständig, dem Zustand und dem Wachstum des Wesens entsprechend. Es gibt keinen königlichen Pfad zu göttlicher Verwirklichung.
Das ist der Karma-Yoga, wie er in der Gita dargelegt ist und wie ich ihn für das integrale spirituelle Leben weiterentwickelt habe. Er gründet sich nicht auf Mutmaßung und Schlussfolgerung, sondern auf Erfahrung. Er schließt die Meditation nicht aus und ebensowenig Bhakti, denn die Selbst-Darbringung an das Göttliche und die völlige Selbst-Weihung an das Göttliche, welche die Essenz dieses Karma-Yoga sind, sind im Grunde eine Bhakti-Bewegung. Er schließt lediglich eine lebensabgewandte, ausschließliche Meditation aus oder eine emotionale Bhakti, die in ihrem eigenen inneren Traum gefangen ist, den sie für die ganze Bewegung des Yoga hält. Man kann Stunden reiner, vertiefter Meditation oder innerer, regungsloser Anbetung und Ekstase haben, doch macht dies nicht die Gesamtheit des Integralen Yoga aus.