Kapitel 15

Die dreieinige Gottheit

Die Unterscheidung zwischen dem Transzendenten, dem Kosmischen und dem Individuellen Göttlichen ist weder meine Erfindung noch stammt sie aus Indien oder Asien – sie ist vielmehr eine anerkannt europäische Lehre der esoterischen Tradition der Katholischen Kirche, die durch sie die Dreieinigkeit erklärt – Vater, Sohn und Heiliger Geist – und sie ist der europäischen mystischen Erfahrung durchaus bekannt. Es gibt sie im Grunde in allen spirituellen Disziplinen, die die Allgegenwart des Göttlichen anerkennen – in der indisch vedantischen Erfahrung und im mohammedanischen Yoga (nicht nur bei den Sufis, sondern auch in anderen Schulen), und die Mohammedaner sprechen sogar von nicht nur zwei oder drei, sondern von vielen Ebenen des Göttlichen, bevor man die Höchste erreicht. Was die Vorstellung als solche anbelangt, so besteht natürlich ein Unterschied zwischen der Individualität, dem Kosmos in Raum und Zeit und dem, was diese kosmische Formel – oder jede kosmische Formel – überschreitet. Es gibt ein kosmisches Bewusstsein, das von vielen erfahren wird und das sich in seinem Ausmaß und seiner Wirkungsweise gänzlich vom individuellen Bewusstsein unterscheidet; und wenn es ein Bewusstsein jenseits dieses kosmischen gibt, unendlich und essentiell ewig und nicht nur in der Zeit bestehend, dann muss auch dieses von den anderen beiden verschieden sein. Und wenn das Göttliche diesen dreien innewohnt oder sich in ihnen manifestiert, ist es dann nicht ersichtlich, dass auch in Seinem Aspekt, in Seinem Wirken Es sich derart unterscheidet, dass wir dazu gezwungen sind, von einem dreifachen Aspekt des Göttlichen zu sprechen, wenn wir nicht alle Wahrheit der Erfahrung durcheinander bringen wollen oder uns auf eine rein statische Erfahrung von etwas Unbestimmbaren beschränken wollen.

In der Ausübung des Yoga besteht ein großer dynamischer Unterschied in der Art, wie man sich mit diesen drei Möglichkeiten auseinandersetzt. Wenn ich nur das Göttliche als dasjenige verwirkliche, das nicht mein persönliches Selbst ist, das aber dennoch im Geheimen mein ganzes persönliches Wesen bewegt und das ich hinter dem Schleier hervortreten lassen kann – oder wenn ich das Bildnis der Gottheit in mir erstehen lasse, so ist das eine Verwirklichung, doch eine begrenzte. Wenn ich die Kosmische Gottheit verwirkliche, indem ich mein ganzes persönliches Selbst in ihr verliere, so ist dies eine sehr große Verwirklichung, doch ich werde ein reiner Kanal der universalen Macht und es gibt keine persönliche oder göttlich individuelle Erfüllung für mich. Wenn ich zur transzendenten Verwirklichung aufschieße, verliere ich in diesem transzendenten Absoluten sowohl mich selbst als auch die Welt. Wenn ich andererseits keines dieser Dinge will, sondern wenn es mein Ziel ist, das Göttliche zu verwirklichen und in der Welt zu manifestieren und zu diesem Zweck eine noch unmanifestierte Macht herabzubringen – wie die des Supramentals – wird eine Harmonisierung aller drei unabdingbar. Ich muss es herabbringen und, da es in der kosmischen Formel noch nicht manifestiert ist, kann ich es nur von der nicht-manifesten Transzendenz, die ich erreichen und verwirklichen muss, herabbringen. Ich muss es in die kosmische Formel einbringen und dann das kosmische Göttliche verwirklichen und mir des kosmischen Selbstes und der kosmischen Kräfte bewusst werden. Doch hier muss ich es verkörpern, andernfalls bleibt es nur ein Einfluss in der physischen Welt und ist nichts Festes; und allein durch das Göttliche in der Individualität kann dies geschehen.

Dies sind Grundlagen in der Dynamik spiritueller Erfahrung und ich habe sie anzuerkennen, wenn eine göttliche Arbeit getan werden soll.

12. Juni 1932

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