Kapitel 11

Ruf der Zukunft

Worte Sri Aurobindos

Alles würde sich ändern, könnte der Mensch einmal einwilligen, sich spiritualisieren zu lassen, aber seine mentale, vitale und physische Natur lehnen sich gegen das höhere Gesetz auf. Er liebt seine Unvollkommenheiten.

Der Geist ist die Wahrheit unseres Wesens, Mental, Leben und Körper in ihrer Unvollkommenheit sind seine Masken: In ihrer Vollkommenheit aber sollten sie seine Gussformen sein. Nur spirituell zu sein, ist nicht genug. Das bereitet zwar eine Anzahl Seelen für den Himmel vor, lässt aber die Erde da, wo sie war. Auch ein Kompromiss ist nicht der Weg zum Heil.

Die Welt kennt drei Arten von Revolutionen. Die materielle zeitigt große Ergebnisse, die moralische und intellektuelle sind unendlich viel weiter in ihrem Ausmaß und reicher in ihrem Ertrag, aber die spirituellen sind die großen Aussaaten.

Könnte diese dreifache Wandlung in völliger Übereinstimmung zusammentreffen, so würde ein makelloses Werk vollbracht, doch Mental und Körper der Menschheit vermögen ein starkes spirituelles Einströmen nicht vollkommen zu fassen: Das Meiste wird verschüttet, viel vom Übrigen verdirbt. Viele intellektuelle und physische Umbrüche benötigt unsere Erdscholle, damit ein kleiner Ertrag aus einer großen spirituellen Aussaat erwachse.

Jede Religion hat der Menschheit geholfen. Das Heidentum mehrte im Menschen das Licht der Schönheit, die Weite und Höhe seines Lebens, sein Streben nach vielseitiger Vollkommenheit. Das Christentum gab ihm eine gewisse Schau der göttlichen Liebe und Güte. Der Buddhismus wies ihm einen edlen Pfad, weiser, milder und reiner zu werden. Judentum und Islam lehrten ihn fromme Gläubigkeit im Tun und eifrige Hingabe an Gott. Der Hinduismus eröffnete ihm die weitesten und tiefsten spirituellen Möglichkeiten. Es wäre etwas Großes, könnten all diese Gott-Visionen zusammenfinden und ineinander aufgehen, aber intellektuelles Dogma und Kult-Egoismus stehen im Wege.

Alle Religionen haben eine Anzahl Seelen gerettet, aber keine hat es bisher vermocht, die Menschheit zu spiritualisieren. Dazu braucht es weder Kult noch Credo, sondern eine beständige und alles in sich fassende Bemühung spiritueller Selbstentfaltung.

Die Veränderungen, die wir heute in der Welt sehen, sind intellektuell, moralisch und physisch ihrer Idee und Absicht nach: Die spirituelle Revolution harrt ihrer Stunde und wirft inzwischen hier und da ihre Wellen. Bis sie kommt, lässt sich der Sinn der anderen Revolutionen nicht verstehen, und bis dahin sind alle Deutungen des gegenwärtigen Geschehens und alle Voraussagen der Zukunft des Menschen eitel. Denn die Natur dieser Revolution, ihre Kraft und ihr Ablauf sind es, die den nächsten Zyklus unserer Menschheit bestimmen werden.

Worte Sri Aurobindos

Eine vollendete menschliche Welt kann nicht von Menschen erschaffen werden oder aus Menschen zusammengesetzt sein, die selbst unvollkommen sind.

Worte Sri Aurobindos

Die einzige Sicherheit für den Menschen besteht darin zu lernen, von innen nach außen zu leben, nicht abhängig von Institutionen und Maschinerie, die ihn zu vervollkommnen suchen, sondern aus seiner wachsenden inneren Vollkommenheit heraus, die dazu dient, eine vollkommenere Lebensform und einen vollkommeneren Lebensrahmen zu erschaffen. Denn durch diese Innerlichkeit werden wir am besten in der Lage sein, zum einen die Wahrheit der hohen Dinge zu sehen, die wir jetzt nur mit unseren Worten ausdrücken und zu äußeren intellektuellen Konstruktionen formen, und zum anderen ihre Wahrheit aufrichtig auf unser ganzes äußeres Leben anzuwenden. Wenn wir das Reich Gottes in der Menschheit begründen wollen, müssen wir zuerst Gott erkennen und die göttlichere Wahrheit unseres Seins in uns selbst sehen und leben. Wie sonst soll eine neue Handhabung der Konstruktionen der Vernunft und der wissenschaftlichen Leistungssysteme, die uns in der Vergangenheit im Stich gelassen haben, in der Lage sein, dieses zu verwirklichen? Da es viele Anzeichen dafür gibt, dass der alte Irrtum anhält und nur eine Minderheit – führende Persönlichkeiten, die zwar im Licht, aber noch nicht in Aktion sind – versucht, klarer zu sehen, innerlich und wahrhaftig, müssen wir eher noch mit der letzten Abenddämmerung rechnen, die das vergehende vom ungeborenen Zeitalter trennt, als mit der wahren Morgendämmerung. Da der Verstand des Menschen noch nicht bereit ist, mögen der alte Geist und die alte Methode noch eine Zeitlang stark sein und scheinen für eine kurze Zeit noch zu gedeihen. Aber die Zukunft liegt bei jenen Menschen und Nationen, die zuerst sowohl über den Glanz als auch über die Dämmerung hinaus die Götter des Morgens sehen und sich darauf vorbereiten, geeignete Werkzeuge der Macht zu sein, die auf das Licht eines größeren Ideals hindrängt.