Kapitel 11

Großmut

Worte der Mutter

Adel und Großmut sind das ätherische Firmament der Seele; ohne sie blickt man auf ein Insekt in einem Kerker. – Sri Aurobindo (Thoughts and Aphorisms)

Adel ist, sich alle persönliche Berechnung zu versagen.

Großmut ist, seine eigene Zufriedenheit in der Zufriedenheit der anderen zu finden.

Worte der Mutter

Sri Aurobindo sagt hier über Mahalakshmi: „Alles, was … armselig … ist, verhindert ihr Kommen“.

Ja, armselig, ohne Großmut, ohne Weite, ohne inneren Reichtum. Alles was trocken, kalt, selbstbezogen ist, verhindert das Kommen Mahalakshmis. Es es hier gewiss nicht von Geld die Rede! Ein steinreicher Mensch kann von Mahalakshmis Standpunkt aus furchtbar arm sein. Und ein ganz armer Mensch kann sehr reich sein, wenn er großherzig ist.

Wenn man von einem „armseligen Kerl“ („pauvre homme“) spricht, was ist damit eigentlich gemeint?

Ein armseliger, ein erbärmlicher Kerl ist ein Mensch ohne Vorzüge, ohne Kraft, ohne innere Stärke, ohne Großmut. Er ist auch ein elender, unglücklicher Mensch. Im Übrigen ist man nur unglücklich, wenn man nicht großzügig ist. Hat man eine großzügige Natur, die gibt, ohne zu berechnen, ist man nie unglücklich. Jene, die sich abkapseln und stets alles für sich haben wollen, die ganze Welt auf sich selbst beziehen, sind die Unglücklichen. Gibt man sich aber großzügig und ohne Berechnung, ist man niemals unglücklich, niemals. Wer nimmt, der ist unglücklich – wer sich gibt, der ist es nie.

Worte der Mutter

Alle menschlichen Eigenschaften sind Entstellungen einer Wahrheit, die dahinter steht. Die Wahrheit, die hinter der Großzügigkeit steht, ist die Bewegung von sich ausbreitenden Kräften. Damit sich aber die Kräfte ausbreiten können, müssen sie sich konzentrieren. So kommt gleichsam eine pulsierende Bewegung zustande: Die Kräfte konzentrieren sich, breiten sich aus, dann konzentrieren sie sich, breiten sich aus… Doch wenn man immer nur austeilen wollte, ohne je anzusammeln, hat man nach einer gewissen Zeit nichts mehr zum Austeilen. Für die Kräfte – alle Kräfte – gilt das Gleiche. Ich habe übrigens geschrieben, dass Geld nichts anderes ist als eine Kraft. Und weil Geld nur eine Kraft ist, und zwar im selben Maße wie alle anderen Kräfte der Natur und des Universums, hat niemand das Recht, es persönlich zu besitzen. Wenn man das Licht als Kraft auffasst, wird niemand auf die Idee kommen zu sagen: „Ich besitze das Licht“, und es in seinem Zimmer einschließen und niemandem etwas davon abgeben! Nun, beim Geld ist man dermaßen abgestumpft, dass man sich vorstellt, es sei etwas, das man besitzen und zurückhalten kann, als gehöre es einem, und mit dem man etwas Persönliches anfangen kann. Das ist genau der gleiche Fall. Ich meine selbstverständlich nicht das Geld als Papier, denn das ist wie das Licht, das man in eine Lampe getan hat. Man kann die Lampe besitzen und sagen: „Es ist mein Licht.“ Das Geld, deine Scheine, deine Geldstücke, das ist dein Geld. Aber das ist nicht das Geld. Das Geld ist die Kraft, die dahinter steht, die Macht des Austauschs. Die gehört niemandem. Die gehört allen. Sie ist nur lebendig, wenn sie zirkuliert. Wenn man einen Haufen daraus machen will, verdirbt sie. Es ist, als wolle man Wasser in ein Gefäß einschließen und es für immer darin aufbewahren: Nach einer gewissen Zeit ist das Wasser vollkommen faulig. Das Gleiche gilt für Geld. Die Menschen haben das noch nicht begriffen.

Worte der Mutter

Ich spreche nicht von materieller Großzügigkeit, die darin besteht, anderen zu geben, was man hat. Aber selbst diese Tugend ist nicht weit verbreitet, denn sobald man reich wird, denkt man eher daran, seine Reichtümer zu bewahren, als sie herzugeben. Je mehr die Menschen besitzen, desto weniger großzügig sind sie.

Ich spreche von sittlicher Großzügigkeit. Zum Beispiel Freude zu empfinden, wenn ein Kamerad Erfolg hat. An einer mutigen, selbstlosen Tat, an einem edlen Opfer ist etwas Schönes, das einen mit Freude erfüllt. Man kann sagen, sittliche Großzügigkeit besteht darin, den wahren Wert und die Vortrefflichkeit anderer anerkennen zu können.

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