Kapitel 10
Die Überantwortung von Angesicht zu Angesicht
Worte Sri Aurobindos
Das einzige Gott wirklich willkommene Opfer ist eine letzte, höchste, äußerste Selbst-Hingabe – es ist jene Überantwortung von Angesicht zu Angesicht, in tiefer Verehrung und Erkenntnis, frei und ohne jeden Vorbehalt, an den Einen, der zugleich unser innewohnendes Selbst, das uns umgebende und konstituierende All und die Höchste Wirklichkeit jenseits von dieser oder irgendeiner anderen Manifestation ist. Zugleich ist er insgeheim dieses alles zusammen, überall verborgen, die immanente Transzendenz. Denn Gott gibt sich einer Seele, die sich ihm ganz hingibt, in seiner Ganzheit. Nur wer seine ganze Natur darbringt, findet das Selbst. Nur wer alles hingeben kann, gewinnt überall die Freude an der Göttlichen Ganzheit. Nur eine höchste Selbst-Aufgabe gelangt zum Höchsten. Nur wenn wir durch das Opfer alles, was wir sind, sublimieren, können wir das Höchste verkörpern und hier in dem immanenten Bewusstsein des transzendenten Geistes leben.
Kurz gefasst, dies wird von uns gefordert: wir sollen unser ganzes Leben in ein bewusstes Opfer umwandeln. Jeder Augenblick und jede Regung unseres Wesens müssen entschieden zu einer ständigen und aufrichtigen Selbst-Hingabe an den Ewigen gemacht werden. All unsere Handlungen, die kleinsten, gewöhnlichsten und unbedeutendsten nicht weniger als die größten, außergewöhnlichen und edelsten, müssen als geweihte Werke getan werden. Unsere individualisierte Natur muss in dem alleinigen Bewusstsein leben, dass jede innere und äußere Regung einem größeren Etwas jenseits von unserem Ego geweiht ist. Welche Gabe es auch sei und wem auch immer wir sie darbringen mögen, es muss uns beim Tun bewusst sein, dass wir sie dem einen göttlichen Wesen in allen Wesen weihen. Unsere gewöhnlichsten und gröbsten materiellen Handlungen müssen diesen verfeinerten Charakter annehmen. Wenn wir essen, sollten wir dessen eingedenk sein, dass wir unsere Nahrung jener Gegenwart in uns darbringen. Das muss wie ein heiliges Opfer in einem Tempel sein. Das Empfinden, dass wir dabei nur unser körperliches Bedürfnis sättigen oder uns durch einen Genuss befriedigen, muss von uns abfallen. Bei jeder großen Arbeit, in jeder hohen Disziplin und in jedem schwierigen oder edlen Unternehmen dürfen wir, auch wenn wir es um unsretwillen, für andere oder für die Menschheit leisten, nicht bei der Vorstellung „wir selbst“, „die Menschheit“, „die anderen“ stehen bleiben. Was wir da tun, muss bewusst als ein Opfer des Wirkens nicht an diese, sondern entweder durch sie oder unmittelbar der Einen Gottheit dargebracht werden; der Göttliche Einwohner, der durch diese Gestaltungen verhüllt war, darf nicht länger verborgen bleiben, sondern unserer Seele, unserem Mental und unseren Sinnen gegenwärtig sein. So müssen unsere Taten und ihre Ergebnisse in die Hand dieses Einen gelegt werden, weil wir fühlen, dass der Unendliche und Erhabene jene Gegenwart ist, durch die allein unser Arbeiten und unsere Aspiration möglich ist. Denn in seinem Wesen findet alles statt; für ihn nimmt die Natur all unser Wirken und unsere ganze Aspiration entgegen und bringt es auf seinem Altar dar. Auch dort, wo die Natur allein ganz deutlich die Wirkende ist und wo wir ihr Wirken nur beobachten und dessen Gefäß und Träger sind, sollten wir ständig an den göttlichen Meister denken und uns ihn als den Wirkenden nachdrücklich bewusst machen. Sogar unser Einatmen und Ausatmen, ja unser Herzschlag kann und muss als der lebendige Rhythmus des universalen Opfers in uns bewusst gemacht werden.
