Kapitel 1

Um die Lehre der Gita zu verwirklichen, muss man den Knoten des Handelns lösen

Worte der Mutter

Liebe Mutter, hier steht: „Auf dem Weg der Werke ist das Handeln der Knoten, den wir zuerst zu lösen haben.“ (The Synthesis of Yoga, p. 94)

Warum ist das Handeln ein Knoten?

Weil man am Handeln hängt. Der Knoten ist der Knoten des Ego. Man handelt aufgrund der Begierde. Sri Aurobindo sagt es: Die gewöhnliche Art zu handeln ist in irgendeiner Form mit der Begierde verknüpft – mit einem Verlangen, einem Bedürfnis. Das ist dieser Knoten. Wenn man nur handelt, um das Verlangen zu befriedigen – ein Verlangen, das man ein Bedürfnis, eine Notwendigkeit oder sonst etwas nennt, das aber im Grunde, geht man der Sache ganz auf den Grund, der Impuls einer Begierde ist, der zum Handeln veranlasst –, wenn man also nur unter der Wirkung des Begierden-Impulses handelt, wird man nicht mehr imstande sein zu handeln, wenn man die Begierde beseitigt.

Und das ist die erste Antwort, die die Leute einem geben. Sagt man ihnen: „Handelt, ohne am Ergebnis des Handelns zu hängen, habt dieses Bewusstsein, dass nicht ihr handelt, sondern das Göttliche“, dann lautet die Antwort, die neunundneunzigeinhalb Prozent geben: „Aber wenn ich so ein Gefühl habe, rühre ich mich nicht mehr! Ich tue nichts; es ist immer ein Bedürfnis, ein Verlangen, ein persönlicher Impuls, der mich veranlasst, so oder so zu handeln.“ Darauf antwortet Sri Aurobindo: „Wenn ihr diese Lehre der Gita verwirklichen wollt, müsst ihr zuerst einmal diesen Knoten lösen, den Knoten, der das Handeln an die Begierde bindet“ – so fest, dass man mit dem einen auch das andere wegnimmt. Er sagt, der Knoten müsse gelöst werden, um die Begierde wegnehmen und weiterhin handeln zu können.

Und das ist eine Tatsache, das muss getan werden. Der Knoten muss gelöst werden. Es ist eine kleine innere Operation, die man ganz leicht ausführen kann. Und wenn sie ausgeführt ist, merkt man, dass man absolut ohne jedes persönliche Motiv handelt, aber von einer Kraft bewegt wird, die höher ist als die egoistische Kraft und auch viel mächtiger. Und dann handelt man, aber die Folgen des Handelns kehren nicht mehr zu einem zurück.

Das ist ein wunderbares Bewusstseinsphänomen und ganz und gar konkret. Im Leben tut man etwas, was immer es auch sei – etwas Gutes, Schlechtes, Gleichgültiges –, es hat sofort eine Reihe von Konsequenzen. In Wirklichkeit tut man es, um zu bestimmten Ergebnissen zu gelangen, darum handelt man. Man handelt im Hinblick auf ein Ergebnis. Wenn ich zum Beispiel meine Hand ausstrecke, um das Mikrofon zu nehmen, bin ich daran interessiert, durch das Mikrofon ein Geräusch hervorzubringen. Es gibt immer eine Konsequenz, immer. Aber wenn man den Knoten löst und eine Kraft, die von oben oder sonst woherkommt, durch einen handeln und einen etwas tun lässt, dann hat dieses Handeln Konsequenzen, doch kommen diese Konsequenzen nicht mehr zu einem, denn man hat das Handeln nicht selbst verursacht, sondern es war die Kraft von oben. Und die Konsequenzen lösen sich in der Höhe auf, oder sie werden dann von der Kraft, die einen in Bewegung gesetzt hat, geführt, gewollt, dirigiert, kontrolliert. Man fühlt sich absolut frei vom Erfolg oder Misserfolg seines Wirkens, und nichts kommt zu einem zurück.

Es gibt Menschen, die das erfahren haben – doch kommen diese Erfahrung zuerst nur blitzartig, für einen Augenblick, und zieht sich dann zurück; erst wenn man ganz und gar bereit ist für die Umwandlung, kommt sie und wird ein fester Bestandteil –, also, gewisse Leute haben das einmal gehabt, vielleicht ein paar Sekunden in ihrem Leben hatten sie die Erfahrung. Dann aber hat sich die Bewegung zurückgezogen, der Bewusstseinszustand hat sich zurückgezogen; doch die Erinnerung daran bleibt. Und sie ahmen das nach. Und wenn es zufällig Leute sind, die Reden halten können, gewisse Gurus, die ihre Schüler den Weg lehren, sagen sie folgendes zu ihnen: „Wenn es das Göttliche ist, das durch euch handelt, und wenn ihr den Knoten der Begierde gelöst habt, gibt es für euch überhaupt keine moralische oder andere Konsequenz eures Tuns. Und ihr könnt tun, was ihr wollt: Ihr könnt euren Nachbarn töten, ihr könnt eine Frau vergewaltigen, ihr könnt alles tun, was das Göttliche in euch will und es wird nie eine Konsequenz für euch haben.“

Und sie machen das tatsächlich! Ja, sie nehmen die Erfahrung als einen Deckmantel, um all ihre Exzesse zu verbergen … Dies nur nebenbei, um dich vor Leuten zu warnen, die den Anspruch erheben, etwas zu sein, was sie nicht sind.

Aber in der Tat ist das Ergebnis sehr einfach, denn sofort erleiden sie die Folgen ihrer Vortäuschung – sie sagen, es gäbe keine, aber sie bekommen sie zu spüren. Ich habe ein ganz frappierendes Beispiel bei einem Sannyasin erlebt, der wütend auf jemand war, der nicht sein Schüler werden wollte – schon das bewies, dass er diesen Zustand keineswegs verwirklicht hatte –, und er wollte sich rächen. Er hatte tatsächlich gewisse Kräfte. Er hatte eine sehr starke Formation aufgebaut, um den Betreffenden zu vernichten, der sich geweigert hatte, sein Schüler zu werden. Dieser hatte zufällig Kontakt mit Sri Aurobindo. Er erzählte ihm die Geschichte, und Sri Aurobindo erzählte sie mir weiter. Die Folge davon war, dass die Formation dieses Sannyasins, der mit dem sogenannten göttlichen Willen handelte, derart auf ihn zurückfiel, dass er starb!

Und es war einfach die Tatsache der Wiederherstellung der Wahrheit. Sonst war da weiter nichts zu tun.

Die Moral der Geschichte ist also, dass man nicht so tun darf, als ob, man muss es sein – mehr sein als scheinen; man muss ganz aufrichtig sein und darf seine Begierden nicht mit schönen Theorien zudecken.

Mir sind viele Menschen begegnet, die behaupteten, den vollkommenen Gleichmut und die vollkommene Freiheit zu haben, und die sich hinter dieser Theorie des „Alles ist der göttliche Wille“ versteckten und in Wirklichkeit in ihrem Denken den göttlichen Willen durch ihren eigenen ersetzten und keineswegs verwirklicht hatten, was sie behaupteten. Es waren Faulpelze, die Anstrengungen scheuten und ihre Natur lieber so behalten wollten, wie sie war, als an ihrer Umwandlung zu arbeiten. Voilà!

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