Kapitel 1

Göttliche Werke

Worte Sri Aurobindos

Willst du ein wahrer Vollbringer göttlicher Werke sein, muss dein erstes Ziel darin bestehen, von jeglichem Begehren und aller Eigenliebe völlig frei zu werden. Dein ganzes Leben muss eine Darbringung und ein Opfer an den Höchsten sein. Das einzige Motiv deines Handelns sei zu dienen, zu empfangen, zu erfüllen und ein Werkzeug zu werden, das die Göttliche Shakti in ihrem Wirken offenbart. Du musst im göttlichen Bewusstsein wachsen, bis es keinen Unterschied mehr gibt zwischen deinem Willen und ihrem, keinen anderen Antrieb als ihren Anstoß in dir, kein Handeln, das nicht ihr bewusstes Wirken in dir und durch dich ist.

Bis du zu dieser vollständigen dynamischen Identifikation imstande bist, musst du dich als eine Seele und einen Körper betrachten, erschaffen zu ihrem Dienst, als jemand, der alles um ihretwillen tut. Auch wenn die Vorstellung des selbständig Handelnden in dir stark ist und du das Gefühl hast, dass du es bist, der handelt, so muss es dennoch für sie getan werden. Alles Bestehen auf egoistischer Wahl, alles Verlangen nach persönlichem Gewinn, alles Vorbehalten ichbezogener Wünsche muss aus der Natur ausgerottet werden. Es darf kein Begehren der Früchte und kein Trachten nach Belohnung geben. Die einzige Frucht für dich ist die Freude der Göttlichen Mutter und das Vollbringen ihres Werks, dein einziger Lohn ein stetes Fortschreiten in das göttliche Bewusstsein und in die Ruhe, Kraft und Seligkeit. Die Freude am Dienen und die Freude inneren Wachsens durch Arbeit ist Lohn genug für den selbstlosen Arbeiter.

Doch es wird eine Zeit kommen, wo du mehr und mehr fühlen wirst, Werkzeug zu sein und nicht der Arbeiter. Denn zunächst wird deine Verbindung mit der Göttlichen Mutter durch die Kraft deiner Hingabe so innig, dass du dich jederzeit nur zu konzentrieren und alles in ihre Hände zu legen brauchst, um von ihrer Gegenwart geführt zu werden, unmittelbar von ihr Geheiß oder Anregung zu empfangen und den sicheren Hinweis auf das, was zu tun ist und wie es zu tun ist und auf das Ergebnis. Und später wirst du feststellen, dass die göttliche Shakti nicht nur inspiriert und lenkt, sondern deine Werke einleitet und ausführt. All deine Bewegungen gehen von ihr aus, all deine Kräfte sind die ihren, Mental, Leben und Körper sind bewusste und freudige Werkzeuge ihres Wirkens, Mittel ihres Spiels, Gussformen für ihre Offenbarung im physischen Universum. Einen glücklicheren Zustand als den dieser Einheit und Abhängigkeit kann es nicht geben. Denn diese Stufe führt dich aus dem Leben der Anspannung und des Leidens in der Unwissenheit zurück über die Grenzlinie in die Wahrheit deines spirituellen Wesens, in dessen tiefen Frieden und intensiven Ananda.

Während diese Umwandlung vor sich geht, ist es mehr denn je nötig, dass du dich von allem Makel der Pervertierungen des Egos rein hältst. Lass keine Forderung, keinen Anspruch sich einschleichen und die Reinheit oder Selbst-Hingabe und das Opfer beflecken. Du darfst nicht an der Arbeit oder dem Ergebnis hängen, keine Bedingungen stellen, darfst keinen Anspruch erheben, jene Macht zu besitzen, die dich besitzen sollte, nicht stolz darauf sein, Werkzeug zu sein, nicht eitel oder anmaßend. Nichts im Mentalen oder Vitalen oder Physischen darf die Größe der Kräfte, die durch dich wirken, für eigene Zwecke missbrauchen oder zur eigenen persönlichen Befriedigung verwenden. Lass deinen Glauben, deine Aufrichtigkeit, die Reinheit deiner Aspiration absolut sein und alle Ebenen und Schichten des Wesens durchdringen. Dann werden jedes störende Element und jeder verderbliche Einfluss nach und nach von deiner Natur abfallen.

Die letzte Stufe dieser Vollendung kommt, wenn du dich mit der Göttlichen Mutter vollständig identifizierst und dich nicht länger als ein anderes und getrenntes Wesen empfindest, als Werkzeug, Diener oder Arbeiter, sondern wahrlich als ein Kind und als ein ewiger Teil von ihrem Bewusstsein und ihrer Kraft. Sie wird immer in dir sein und du in ihr. Es wird für dich eine ständige, einfache und natürliche innere Erfahrung sein, dass all dein Denken und Sehen und Handeln, ja selbst dein Atmen oder deine Bewegungen von ihr kommen und ihr gehören. Du wirst wissen und sehen und fühlen, dass du eine Person und eine Kraft bist, die sie aus sich selbst heraus geformt hat, aus sich herausstellt für das Spiel, und die dennoch stets in ihr geborgen ist, Sein von ihrem Sein, Bewusstsein von ihrem Bewusstsein, Kraft von ihrer Kraft, Ananda von ihrem Ananda. Wenn dieser Zustand vollendet ist und ihre supramentalen Energien dich frei bewegen können, wirst du in göttlichem Wirken vollkommen sein. Wissen, Wille, Handeln werden sicher, einfach, leuchtend, spontan, fehlerlos, ein Fließen aus dem Höchsten, eine göttliche Bewegung des Ewigen.

Worte Sri Aurobindos

In deinen Werken sind immer diese drei, der Meister, der Arbeiter und das Instrument. Sie in sich selbst in der rechten Weise zu bestimmen und sie in der richtigen Weise zu besitzen, macht das Geheimnis der Werke und das der Freude an den Werken aus.

Lerne zunächst das Instrument Gottes zu sein und deinen Meister zu akzeptieren. Das Instrument ist dieses äußere Ding, das du als dich selbst bezeichnest. Es ist eine Form des Mentals, eine treibende Kraft der Macht, eine Maschinerie der Form, ein Ding voll von Sprungfedern und Zahnrädern und Klemmen und Bauteilen. Bezeichne das nicht als den Arbeiter oder den Meister. Es kann niemals der Arbeiter oder der Meister sein. Akzeptiere dich selbst bescheiden, doch stolz, hingebungsvoll, gehorsam und voller Freude als ein göttliches Instrument.

Es gibt keinen größeren Stolz und Ruhm als den, ein vollkommenes Instrument des Meisters zu sein.

Lerne zunächst, absolut zu gehorchen. Das Schwert wählt nicht, wo es zuschlagen soll, der Pfeil fragt nicht danach, wohin er geschossen wird, die Federn der Maschine beharren nicht auf dem Produkt, das aus ihrer Arbeit entstehen soll. Diese Dinge werden von der Intention und Arbeitsweise der Natur bestimmt, und je mehr das bewusste Instrument lernt, das reine und essenzielle Gesetz seines Charakters zu spüren und ihm zu gehorchen, desto schneller wird die produzierte Arbeit vollkommen und fehlerlos sein. Eigenes Entscheiden auf Seiten der nervlichen Antriebskraft und Aufbegehren des physischen und mentalen Werkzeugs kann die Arbeit nur verderben.

Lass dich treiben im Atem Gottes und sei wie ein Blatt im Sturm. Gib dich in Seine Hand und sei wie das Schwert, das zuschlägt, und der Pfeil, der auf sein Ziel zuschnellt. Lass dein Mental wie die Feder einer Maschine sein, lass deine Kraft wie das Schlagen eines Bolzens sein, lass deine Arbeit wie das mahlende und formende Niederkommen des Stahls auf sein Objekt sein. Lass deine Rede das Klingen des Hammers auf dem Amboss sein und das Ächzen der Maschine bei ihrer Arbeit und der Schrei der Trompete, die den Landstrichen die Kraft Gottes verkündet. Auf welche Weise auch immer, tue als ein Instrument die Arbeit, die dir naturgemäß entspricht und die dir zugewiesen wurde.

Das Schwert freut sich am Kampfspiel, der Pfeil an seinem Zischen und Schnellen, die Erde ist entzückt über ihr schwindelndes Wirbeln durch den Raum, die Sonne empfindet königliche Ekstase ob ihrer lodernden Pracht und ihrer ewigen Bewegung. Oh du selbst-bewusstes Instrument, sei du auch verzückt ob deiner eigenen, dir zugewiesenen Werke.

Das Schwert hat nicht danach gefragt, erschaffen zu werden, noch leistet es seinem Benutzer Widerstand oder klagt, wenn es zerbricht. Es liegt Freude im Geschaffenwerden und Freude im Benutztwerden und Freude im Beiseitegelegtwerden und sogar Freude im Zerbrochenwerden. Diese gleichbleibende Freude entdecke.

Da du aber das Instrument mit dem Arbeiter und dem Meister verwechselt hast und weil du versuchst, aus der Unwissenheit deines Wünschens heraus deine eigene Beschaffenheit, deinen eigenen Profit und deinen eigenen Nutzen zu wählen, leidest du und hast Angst und musst viele Male in die rote Hölle des Schmelzofens geworfen werden und immer wieder geboren und wieder geformt und wieder gehärtet werden, bis du deine menschliche Lektion gelernt hast.

Und all diese Dinge sind so, weil sie in deiner unfertigen Natur sind. Denn Natur ist der Arbeiter, und woran arbeitet sie? Sie formt aus ihrem rohen Mental und ihrem rohen Leben und Materie ein vollkommen bewusstes Wesen.

Als nächstes erkenne dich als den Arbeiter. Verstehe, dass deine Natur der Arbeiter ist und deine eigene Natur und die All-Natur du selbst bist.

Dieses Natur-Selbst gehört nicht dir allein und ist nicht begrenzt. Deine Natur hat die Sonne erschaffen und die Systeme, die Erde und ihre Geschöpfe, dich selbst und das Deine und alles, was du bist und wahrnimmst. Sie ist dein Freund und dein Feind, deine Mutter und der, der dich verschlingt, dein Geliebter und dein Folterer, die Schwester deiner Seele und ein völlig Fremder, deine Freude und dein Leid, deine Sünde und deine Tugend, deine Stärke und deine Schwäche, dein Wissen und deine Unwissenheit. Und doch ist sie keines dieser Dinge, sondern etwas, wovon sie ein Versuch und unvollkommenes Abbild ist. Denn jenseits von all diesen ist sie ein ursprüngliches Selbst-Wissen und eine unendliche Kraft und unzählige Qualität.

In dir aber gibt es eine spezielle Bewegung, eine eigentliche Natur und eine individuelle Energie. Folge ihr wie einem sich weitenden Fluss, bis er dich zu seiner unendlichen Quelle und seinem unendlichen Ursprung führt.

Wisse deshalb, dass dein Körper ein Knoten in der Materie ist und dein Mental ein Wirbel im universalen Mental und dein Leben ein Strudel im ewig währenden Leben. Wisse, dass deine Kraft die Kraft eines jeden anderen Wesens ist und dein Wissen ein Schimmer des Lichts, das keinem Menschen gehört, und deine Werke für dich geschaffen und vom Irrtum deiner Persönlichkeit befreit werden.

Wenn das getan ist, wirst du deine unbändige Freude haben an der Wahrheit deines individuellen Wesens und an deiner Stärke und deinem Ruhm und deiner Schönheit und deinem Wissen, und auch an der Negierung dieser Dinge wirst du Freude haben. Denn all das ist die dramatische Maske der Person und das Selbstbild des Selbst-Bildhauers.

Warum solltest du dich begrenzen? Fühle dich auch in dem Schwert, das dich niederstreckt, und in den umschließenden Armen, im Leuchten der Sonne und im Tanz der Erde, im Flug des Adlers und im Lied der Nachtigall, in allem Vergangenen und in allem, das jetzt ist, und allem, das vorwärts drängt, um zu werden. Denn du bist unendlich, und all diese Freude ist dir möglich.

Die Arbeiterin hat die Freude ihrer Werke und die Freude des Geliebten, für den sie arbeitet. Sie erkennt sich selbst als sein Bewusstsein und seine Kraft, sein Wissen und sein Bewahren von Wissen, seine Einheit und seine Selbst-Teilung, seine Unendlichkeit und die Endlichkeit seines Wesens. Erkenne, dass du auch diese Dinge bist; habe auch du Freude an deinem Geliebten.

Es gibt jene, die sich selbst als Werkstatt oder als Instrument oder als die ausgearbeitete Sache begreifen, doch sie verwechseln die Arbeitende mit dem Meister; auch das ist ein Irrtum. Diejenigen, die ihm verfallen, können kaum ihre hohen, reinen und vollkommenen Werke erreichen.

Das Instrument ist in einem persönlichen Bild begrenzt, die Arbeitende ist mit einer persönlichen Tendenz universell, aber keiner davon ist der Meister, denn keiner von ihnen ist die wahre Person.

Zuletzt erkenne den Meister als dich selbst, doch gib diesem Selbst keine Form und suche nach keiner Eigenschaftsbestimmung. Sei eins mit Diesem in deinem Wesen, kommuniziere mit Diesem in deinem Bewusstsein, gehorche Diesem in deiner Kraft, sei Diesem untertan und umfangen von ihm in deiner Freude, erfülle Das in deinem Leben und deinem Körper und deiner Mentalität. Dann wird sich vor einem sich öffnenden Auge in deinem Inneren jene wahre und einzige Person erheben, du selbst und doch nicht du selbst, alle anderen und mehr als alle anderen, der Dirigent und Genießer deiner Werke, der Meister des Arbeiters und des Instruments, der Feiernde und der Trampelnde im Tanz des Universums und doch schweigend und allein mit dir in dem stillen und inneren Raum deiner Seele.

Wenn du einmal die Freude des Meisters besitzt, gibt es für dich nichts mehr zu erobern. Denn Er wird dir sich selbst geben und alle Dinge und das Bekommen und Haben und Tun und Erfreuen aller Geschöpfe als deinen eigenen Teil, und Er wird dir auch das geben, was nicht zu teilen ist.

Du wirst in deinem Wesen dich selbst und alle anderen enthalten und das sein, was weder du selbst bist noch all die anderen. Das ist die Erfüllung und der Gipfel der Werke.