Kapitel 1
Die Vorbereitung auf die Reise
Worte Sri Aurobindos
Eine lange dämmrige Vorbereitung ist das Leben des Menschen,
Ein Kreislauf von Mühsal und Hoffnung und Krieg und Frieden,
Ausgefurcht vom Leben auf dem obskuren Boden der Materie.
In seinem Aufstieg hin zu einem Gipfel, den noch kein Fuß betrat,
Sucht er in einem von Flammen durchzuckten Halbschatten
Nach einer verhüllten Wirklichkeit, halb erkannt, stets verfehlt,
Forschend nach etwas oder jemand nie Gefundenem,
Kult eines Ideals, das hier nie verwirklicht wurde,
Eine endlose Spirale von Aufstieg und Fall,
Bis endlich erreicht ist der gigantische Punkt,
Wo durchscheint die Glorie von ihm, für den wir geschaffen wurden,
Und wir einbrechen in die Unendlichkeit Gottes.
Über die Grenzen unserer Natur hinaus entkommen wir
In den Bogen lebendigen Lichtes der Übernatur.

Worte Sri Aurobindos
Zwei tamilische Brüder, wovon der ältere ein Anwalt war, wollten Sri Aurobindo an diesem Morgen treffen. Sie behaupteten, vom Geist ihres ältesten Bruders, Jagan Nathan, der am 1. Dezember 1919 in Rangoon verstorben war, hierher geführt worden zu sein… Sri Aurobindo sandte ihnen die folgenden Anweisungen:
Dem jüngeren Bruder, der sich als Medium einsetzen lässt, sollte gesagt werden, dass es sehr gefährlich für ihn ist, sich ohne richtiges Wissen auf diese Geisterwelt einzulassen. Es ist besonders gefährlich für Leute, die selbst nicht stark sind.
Er sollte nach dem Aufgeben dieser Praxis sein Mental durch den Karma-Yoga stärken. Das wird von ihm verlangen, seine Begierden und sein Ego aufzugeben. Er kann seine Handlungen im Geiste der Hingabe verrichten, indem er sie Gott als Opfer darbringt. Auf diese Weise kann er üben, alle seine Handlungen Gott zu weihen, und versuchen, Ihn in allen Menschen und Ereignissen zu sehen. Das wäre dann seine Meditation.
Im Moment kann er diesen Yoga nicht aufnehmen, denn dies ist ein Yoga der Überantwortung seiner selbst, in dem er sich einer höheren Macht zu öffnen hat. Da er sich aber bereits anderen Geistern geöffnet hat, wäre ein solch passiver Zustand nicht gut für ihn. Alle möglichen Geister würden kommen und versuchen, von seinem Wesen Besitz zu ergreifen. Somit ist es gefährlich für ihn, diesen Yoga aufzunehmen, ganz abgesehen von anderen Erwägungen.

Worte Sri Aurobindos
Ich kann dir den Yoga nicht geben, da ich in deiner Natur nicht die notwendige Fähigkeit dazu finde. Aber wenn du willst, kann ich dir etwas geben, das dich für diesen Yoga vorbereiten kann.
Sehr gut.
Hast du in deinem Leben irgendwelche religiösen Übungen befolgt?
Als ich jung war, übte ich für einige Jahre das Gayatri-Japa.
Kennst du die Bedeutung des Gayatri-Mantras?
Es ist eine große Shakti, eine Macht, aber ich weiß nicht, was sie bedeutet.
Es bedeutet: „Wir wählen das Höchste Licht der göttlichen Sonne; wir streben danach, dass es unseren mentalen Geist führe.“
Die Sonne ist das Symbol des herabsteigenden göttlichen Lichts, und Gayatri gibt der Aspiration Ausdruck, das göttliche Licht möge herabsteigen und von allen Aktivitäten des Mentals Besitz ergreifen.
In diesem Yoga ist es ebenfalls unser Bestreben, dass diese göttliche Sonne nicht nur das mentale Wesen, sondern auch das vitale und physische Wesen unter seine Herrschaft nimmt. Das ist eine sehr schwierige Bemühung. Nicht alle können das Licht der Sonne aushalten, wenn es herabsteigt. Gayatri (Mantra) erwählt das Göttliche Licht der Wahrheit und bittet es, herabzusteigen und vom Mental Besitz zu ergreifen. Die Fähigkeit für diesen Yoga besteht darin, das Licht zu ertragen.
Du kannst über dieses (Gayatri) Mantra meditieren und dir dabei seine Bedeutung vergegenwärtigen. Du kannst auch danach streben, für diesen Yoga geeignet zu werden. Wenn du fähig bist, dein Mental zu konzentrieren, kannst du an eine beliebige Form der Gottheit denken. Du kannst zu deiner Ishta-Devata beten, dass sie dich für diesen Yoga vorbereite und sie kommen und in dir wirken möge.
In Wirklichkeit wird dieser Yoga nicht durch die Macht des Menschen ausgeübt; er wird durch die Göttliche Macht getan, und so kann Sie jede beliebige Veränderung in der Fähigkeit des Sadhaka verursachen.

Worte der Mutter
Wie kann man sich auf den Yoga vorbereiten?
Bewusst sein vor allem. Wir sind uns bloß eines geringen Teils unseres Wesens bewusst, im Übrigen sind wir unbewusst. Es ist diese Unbewusstheit, die uns an unsere niedere Natur gebunden hält und darin jede Veränderung und alle Umwandlung verhindert. Dieser Unbewusstheit bedienen sich die ungöttlichen Kräfte, um in uns einzudringen und uns zu versklaven. Du musst dir deiner selbst bewusst werden, deiner Natur und deiner Regungen. Du musst wissen, wie und warum du etwas tust, fühlst oder denkst. Du musst deine Beweggründe und Antriebe verstehen, die verborgenen und die in Erscheinung tretenden Kräfte, die dich handeln lassen. Du musst gewissermaßen den Mechanismus deines Wesens in kleine Teile zerlegen. Erst wenn du bewusst bist, kannst du beurteilen und auswählen, kannst du wahrnehmen, welche Kräfte dich herunterziehen und welche dich weiterbringen. Und wenn du zu wissen vermagst, was zu tun und zu lassen ist, wenn du das Wahre vom Falschen, das Göttliche vom Ungöttlichen unterscheiden kannst, dann musst du strikt nach diesem Wissen handeln, das heißt entschlossen das eine zurückweisen und das andere annehmen. Bei jedem Schritt bist du vor diese Dualität gestellt, und bei jedem Schritt hast du deine Wahl zu treffen. Du musst geduldig, ausdauernd und wachsam sein – „schlaflos“, wie die Adepten sagen; du musst es immer ablehnen, dem Ungöttlichen die geringste Gelegenheit gegen das Göttliche zu geben.

Worte der Mutter
… wenn man sich durch das Studium von Büchern vorbereiten muss, ist es eine Vorbereitung, die ziemlich lange dauert. Fügt es sich aber, dass man eine direkte Unterweisung bekommen kann, und das in jeder Situation, dann geht es viel schneller. Wenn du niemanden hast, der dich führt, und wenn du deinen Weg mit Hilfe von Büchern finden musst, wenn du nicht einmal jemanden hast, der dir sagt: „Lies besser dieses Buch als jenes,“ wenn du alles selbst herausfinden musst, dann braucht das viel Zeit. Viele Jahre.
Nicht wahr, es ist ein Unterschied – die Leute machen sich das nicht klar –, es ist ein erheblicher Unterschied, ob man die Frage an jemanden richten kann, der die Sache verwirklicht hat, das heißt, der alle Erfahrungen gemacht hat und am Ziel angekommen ist und die Kenntnis der Sache besitzt. Du kannst ihn fragen: „Ist das gut? Ist das nützlich? Ist das schädlich?“ Da hast du in einer Minute die Antwort: „Ja, nein, mach dies, lies das, mach das nicht.“ Und das ist so bequem.
Bist du aber ganz allein – meistens in einem nicht sehr förderlichen Milieu oder jedenfalls dort, wo die Leute nichts davon verstehen, nicht daran denken (wenn sie nicht gar feindselig sind!) –, dann musst du alles selbst herausfinden; du hast niemanden, der dir sagt: „Also, lies dieses Buch, es ist besser, es ist wahrer als jenes.“ Du musst eine ziemliche Menge lesen, das alles in deinem Denken vergleichen können, die Wirkung auf dich vergleichen, inwieweit dir das hilft oder nicht.
Natürlich werden jene, die auserkoren sind, von ihrem inneren Meister geleitet. So fügt es sich, dass sie genau auf das Buch stoßen, das sie lesen sollen, oder auf die Person, die ihnen einen nützlichen Hinweis geben kann; … Nach einiger Zeit merken sie, dass da ein Bewusstsein war, sie wussten nicht recht, woher das kam oder wie das war oder wer ihr Leben organisierte, wer die Lebensumstände organisierte – und wer einem bei jedem Schritt half, gerade die Sache zu finden, die einen dann weiterführt. Doch es kommt nicht sehr häufig vor; es ist eher selten. Das sind die Auserwählten.
Ansonsten ist es schwierig; das braucht Zeit, viel Zeit. Und dennoch ist es nur der Anfang, nicht wahr; es ist das Finden der Wahrheiten, auf die man seinen Yoga gründet. Es ist noch nicht der Yoga; es sind die allgemeinen Grundsätze, auf denen man seinen Yoga aufbaut.
Selbstverständlich können jene, die besonders interessiert sind, etwas finden. Es versteht sich von selbst, dass es für jene, die in Indien sind, es äußerst leicht ist, äußerst leicht. Hier ist eine lebendige Tradition; jeder x-Beliebige, der Yoga praktizieren will, wird immer jemanden finden, der ihm eine Auskunft geben kann. Und selbst die Unwissendsten und Ungebildetsten haben ein vages Gefühl, was man tun muss oder was hilfreich sein kann.

Worte Sri Aurobindos
Dieser Yoga verlangt, dass man das Leben vollkommen dem sehnsuchtsvollen Streben nach Entdeckung und Verkörperung der Göttlichen Wahrheit weiht und nichts anderem sonst. Die Trennung deines Lebens zwischen dem Göttlichen und einem äußeren Ziel, einer äußeren Tätigkeit, die nichts mit der Suche nach der Wahrheit zu tun hat, ist nicht zulässig. Die geringste Kleinigkeit dieser Art würde den Erfolg im Yoga zunichte machen.
