Kapitel 1
Die Seele – Quelle inneren Wohlbefindens
Worte Sri Aurobindos
Die Entspannung und der Friede werden sehr tief und weit innen gefühlt, denn sie sind in der Seele, und die Seele ist sehr tief in uns und vom Mental und Vital verdeckt. Wenn du meditierst, öffnest du dich der Seele, wirst dir des Seelenbewusstseins tief innen bewusst und fühlst diese Dinge. Damit diese Entspannung, dieser Friede und dieses Glück stark und beständig und im ganzen Wesen und Körper empfunden werden, musst du noch tiefer nach innen gehen und die volle Kraft der Seele in das Physische bringen. Dies geschieht am leichtesten durch regelmäßige Konzentration und Meditation mit dem Streben nach diesem wahren Bewusstsein. Es kann ebenfalls durch Arbeit geschehen, durch Hingebung, indem man die Arbeit allein für das Göttliche tut, ohne an sich zu denken und den Gedanken der Weihung an die Mutter immer im Herzen zu tragen.

Worte der Mutter
Im menschlichen Bewusstsein ist alles sehr langsam. Wenn wir die Zeit, die nötig ist, um etwas zu verwirklichen, mit der durchschnittlichen Länge menschlicher Existenz vergleichen, scheint es unendlich zu sein. Aber glücklicherweise kommt eine Zeit, wo man dieser Idee entkommt, wo man beginnt, nicht mehr mit menschlichem Mass zu messen. Sobald man wirklich mit dem seelischen Wesen in Kontakt ist, verliert man diese Enge und sogar Qual, diese Qual, die so schädlich ist: „Ich muss schnell sein, ich muss schnell sein, ich habe keine Zeit, ich muss mich beeilen, ich habe keine Zeit.“ Man macht Dinge sehr schlecht oder macht sie überhaupt nicht mehr. Aber sobald ein Kontakt mit dem seelischen Wesen besteht, verschwindet das wirklich; man beginnt, ein wenig weiter, ruhiger und friedvoller zu sein und in der Ewigkeit zu leben.

Worte der Mutter
Seelische Haltung ist die Haltung des Wesens, die daher kommt, dass das seelische Wesen, das die Bewegung des Wesens lenkt, Herr aller Bewegung des Bewusstseins ist. Das seelische Wesen ist immer ausgeglichen. Wenn es also aktiv ist und das Wesen lenkt, bringt es unausweichlich ein Gleichgewicht.

Worte der Mutter
Schon beginnen zukünftige Lehrer und Studenten anzukommen, manche von außerhalb, für die das Klima und die Sitten des Landes neu sind. Sie kommen zum ersten Mal im Ashram an und wissen nichts von seinem Leben oder seinen Gebräuchen. Einige von ihnen kommen mit einer mentalen Sehnsucht, zu dienen oder zu lernen; andere kommen in der Hoffnung, Yoga auszuüben, das Göttliche zu finden und sich mit Ihm zu einen; schließlich sind da jene, die sich vollständig dem göttlichen Werk auf Erden weihen wollen. Alle kommen, weil sie von ihrem seelischen Wesen gedrängt werden, das sie zu Selbst-Verwirklichung führen will. Sie kommen mit dem seelischen Wesen im Vordergrund, das ihr Bewusstsein lenkt; sie stehen in seelischem Kontakt mit Menschen und Dingen. Alles erscheint ihnen schön und gut, ihre Gesundheit bessert sich, ihr Bewusstsein wird lichtvoller. Diesen Frieden und die Erfüllung und Freude, die durch den seelischen Kontakt gegeben sind, finden sie überall, in allem und jedem. Das gibt eine Offenheit für das wahre Bewusstsein, das hier alles durchdringt und ausarbeitet. Solange die Offenheit da ist, halten Frieden, Fülle und Freude mit der unmittelbaren Folge von Fortschritt, Gesundheit und guter Verfassung des Physischen, Ruhe und gutem Willen im Vital, Klarheit und Weite im Mental und einem allgemeinen Gefühl von Sicherheit und Befriedigung an. Aber es ist schwierig für einen Menschen, einen ständigen Kontakt mit dem Seelischen aufrecht zu erhalten. Sobald er sich einrichtet und die Frische der neuen Erfahrung schwindet, kommt die alte Person zurück an die Oberfläche, mit all ihren Gewohnheiten, Vorlieben, kleinen Manien, Fehlern und Missverständnissen, der Friede wird durch Rastlosigkeit ersetzt und Freude verschwindet, das Verständnis verdunkelt sich und das Gefühl, dass der Platz genau so wie irgend ein anderer ist, schleicht sich ein, denn man ist geworden, was man überall ist. Statt nur zu sehen, was schon vollbracht ist, wird er sich mehr und mehr und beinahe ausschließlich dessen bewusst, was noch zu tun ist; er wird mürrisch und unzufrieden und tadelt Menschen und Umstände statt sich selbst. Er beklagt sich über den mangelnden Komfort, das unerträgliche Klima und das ungeeignete Essen, das seine Verdauung schmerzhaft macht. Das physische Bewusstsein, das durch Sri Aurobindos Lehre gestützt wird, dass der Körper eine notwendige Grundlage des Yoga ist, dass er nicht vernachlässigt werden und dass im Gegenteil große Sorgfalt auf ihn verwendet werden sollte, konzentriert sich fast ausschließlich auf den Körper und versucht, Wege zu finden ihn zu befriedigen. Das ist praktisch unmöglich, denn mit wenigen Ausnahmen wird er um so mehr verlangen, je mehr ihm gegeben wird. Außerdem ist das physische Wesen unwissend und blind; es ist voller falscher Begriffe, vorgefasster Ideen, Vorurteile und Vorlieben. Es kann tatsächlich nicht wirksam mit dem Körper umgehen. Nur das seelische Bewusstsein hat das Wissen und die Einsicht, die gebraucht werden, um das Richtige auf die richtige Art zu tun.
Du fragst vielleicht, welches das Heilmittel für diesen Zustand ist. Denn hier drehen wir uns in einem Teufelskreis, denn der ganze Ärger entsteht dadurch, dass man sich vom seelischen Wesen zurückzieht, aber nur das Seelische kann die Lösung für die Probleme finden. Es gibt also nur ein Heilmittel: sei auf der Hut, halte am seelischen Wesen fest, lass nichts in deinem Bewusstsein sich zwischen deiner Seele und dir selbst schieben, verschließe deine Ohren und dein Verständnis allen anderen Einflüsterungen gegenüber, verlass dich nur auf dein seelisches Wesen.
…Und wenn sich, trotz all deiner Anstrengungen, der Horizont manchmal verdunkelt, wenn Hoffnung und Freude verblassen, der Enthusiasmus erlahmt, dann erinnere dich, dass das ein Zeichen dafür ist, dass du dich von deinem seelischen Wesen zurückgezogen und den Kontakt mit seinem Ideal verloren hast. Auf diese Art wirst du den Fehler vermeiden, die Menschen und Umstände zu tadeln, und so völlig nutzlos deine Leiden und deine Schwierigkeiten zu vergrößern.
