Kapitel 1

Der Welt furchtbarer Lehrer: Der Schöpfer Schmerz

Worte Sri Aurobindos

Im Herzen des Sterblichen lebt verborgen der Ewige:

Er lebt insgeheim in der Kammer deiner Seele,

Ein Licht scheint dort, das kein Schmerz und Kummer durchkreuzt.

Es steht eine Dunkelheit zwischen dir und ihm,

Nicht fühlen oder hören kannst du den herrlichen Gast,

Nicht sehen kannst du die beseligende Sonne.

O Königin, dein Denken ist ein Licht von der Unwissenheit,

Sein leuchtender Vorhang verbirgt vor dir Gottes Antlitz.

Es beleuchtet eine Welt, geboren aus dem Nichtbewussten,

Verbirgt aber des Unsterblichen Bedeutung in der Welt.

Das Licht deines Mentals verbirgt vor dir das Denken des Ewigen,

Deines Herzens Hoffnungen verbergen vor dir den Willen des Ewigen,

Der Erde Freuden verschließen dir die Seligkeit des Unsterblichen.

Daraus entstand die Notwendigkeit eines dunklen eindringenden Gottes,

Der Welt furchtbarer Lehrer, der Schöpfer, Schmerz.

Wo Unwissenheit ist, da muss auch das Leid kommen;

Dein Kummer ist ein Schrei der Finsternis nach dem Licht;

Schmerz war der Erstgeborene des Nichtbewussten,

Das der stumme Urgrund deines Körpers war;

Dort schlief schon des Schmerzes unterbewusste Form:

Ein Schatten in einem schattig düsteren Schoße,

So harrt er des Erwachens und des Seins, bis Leben sich regt.

Zugleich mit der Freude Spross kam die fürchterliche Macht hervor.

In des Lebens Brust ward er geboren, versteckend seinen Zwilling;

Schmerz kam zuerst, danach erst konnte Freude sein.

Schmerz pflügte den ersten harten Boden des Weltschlummers.

Durch Schmerz fing ein Geist im Lehm zu erwachen an,

Durch Schmerz brach Leben in der unterschwelligen Tiefe auf.

Gebunden, versenkt, verborgen in der Trance der Materie

Kam langsam zu sich der Träumer, das schlafende Mental;

Es schuf aus seinen Träumen ein sichtbares Reich,

Es schöpfte seine Formen aus den unterbewussten Tiefen,

Wandte sich dann um zur Welt, die es geschaffen hatte.

Durch Schmerz und Freude, dem lichten und düsteren Zwilling,

Nahm die unbelebte Welt ihre fühlende Seele wahr,

Sonst hätte das Nichtbewusste nie Wandlung erfahren.

Schmerz ist der Hammer der Götter,

Um einen toten Widerstand im Herzen des Sterblichen zu brechen,

Sein träges Beharren wie von lebendem Stein.

Wäre das Herz nicht gezwungen zu wünschen und zu weinen,

So läge seine Seele zufrieden da, ganz behaglich,

Und hätte nie daran gedacht, den Menschenbeginn zu überschreiten,

Und nie gelernt, zur Sonne emporzuklimmen.

Diese Erde ist voll von Mühsal, bepackt mit Schmerz;

Wehen einer endlosen Geburt martern sie noch immer;

Die Jahrhunderte enden, die Zeitalter gehen nutzlos dahin

Und doch ist in ihr die Gottheit noch nicht geboren.

Die uralte Mutter begegnet allem mit Freude,

Ruft nach dem brennenden Schmerz, der grandiosen Erregung;

Denn alle Schöpfung kommt unter Mühsal und Schmerz.

Diese Erde ist voll von den Qualen der Götter;

Immer mühen sie sich, angetrieben vom Sporn der Zeit,

Und streben danach, den ewigen Willen auszuarbeiten

Und das göttliche Leben in sterblichen Formen zu gestalten.

Sein Wille muss in menschlicher Brust ausgearbeitet werden

Entgegen dem Bösen, das aus den Schlünden aufsteigt,

Entgegen der Unwissenheit der Welt und ihre Hartnäckigkeit,

Entgegen den Verirrungen des Menschen entstellten Willens,

Entgegen der tiefen Torheit seines menschlichen Mentals,

Entgegen der blinden Störrigkeit seines Herzens.

Der Geist ist zu Schmerz verurteilt, bis frei ist der Mensch.